Sierra Leone – Westafrikas unterschätztes Küstenabenteuer

Dicht bebaute Hänge und einfache Küstenhäuser in Freetown am Meer in Sierra Leone.

Sierra Leone – Strände, Regenwaldinseln und Städte, die viel mehr zu erzählen haben, als auf den ersten Blick zu sehen ist

Wer bei Sierra Leone nur an vergangene Krisen denkt, verpasst eines der spannendsten Reiseziele in Westafrika mit langen Stränden, dichtem Regenwald und einer lebendigen Kultur. Das kleine Land an der Atlantikküste bietet dir ursprüngliche Dörfer, farbenfrohe Märkte, Musik auf der Straße und eine entspannte Gelassenheit, die viele Reisende schon nach wenigen Tagen deutlich runterkommen lässt. Kinder winken dir am Straßenrand zu, auf den Märkten duftet es nach gegrilltem Fisch und Gewürzen und am Abend sitzt du vielleicht am Strand, während Trommeln und Wellen im Hintergrund zu hören sind.

Bunte Häuser, Palmen und Boote liegen an einer kleinen Landspitze am Meer in Sierra Leone.
Küstendorf am Atlantik in Sierra Leone – Bildnachweis: EyeEm Mobile GmbH – iStock-ID: 2164204730

Das Klima ist tropisch mit ausgeprägter Regenzeit und Trockenzeit. In der Trockenzeit von etwa November bis April zeigt sich die Küste oft postkartenreif mit tiefblauem Meer, hellem Sand und viel Sonne, auch wenn es heiß und staubig werden kann. In der Regenzeit fallen teils heftige Schauer, die Straßen werden anstrengender, dafür ist die Landschaft tiefgrün und Flüsse, Reisfelder und Wälder wirken besonders intensiv. Wenn du flexibel planen kannst, lohnt sich eine Reise in der frühen oder späten Trockenzeit, wenn das Wetter stabil ist und die Temperaturen etwas angenehmer sind.

Die Hauptstadt Freetown zieht dich mit ihrem Mix aus kolonialer Geschichte, quirligen Vierteln und Stadtstränden in den Bann. Du kannst durch das Zentrum mit alten Gebäuden und Märkten streifen, am Hafen das Kommen und Gehen der Boote beobachten und entlang der Peninsula zu Stränden wie Lumley oder weiter südlich zu ruhigeren Buchten fahren. Viele Reisende kombinieren Tage in der Stadt mit Ausflügen an die Strände der Halbinsel, wo einfache Bars, kleine Gästehäuser und Resorts direkt am Meer liegen und du den Tag mit einem frischen Fisch vom Grill ausklingen lässt.

Langer tropischer Sandstrand mit Palmenwald und türkisfarbenem Meer in Sierra Leone.
Palmenstrand in Sierra Leone aus der Luft – Bildnachweis: Muhammad Shah Jaman – iStock-ID: 1370203670

Von Freetown aus erreichst du in wenigen Stunden die vorgelagerten Banana Islands, auf denen das Leben noch ein Stück langsamer tickt. Hier gibt es nur wenige Unterkünfte, kleine Dörfer, dichten Wald und Buchten, in denen du schwimmen, schnorcheln oder einfach in der Hängematte liegen kannst. Strom kommt oft aus Generatoren oder Solarpanels, das Handy hat nicht überall Empfang und genau das macht den Reiz aus. Noch weiter im Landesinneren wartet mit Tiwai Island ein Regenwaldparadies, in dem du mit etwas Glück seltene Primaten hörst, Vögel in allen Farben siehst und vielleicht sogar ein Pygmäflusspferd im Dunkeln schnaufen hörst. Übernachtet wird meist in einfachen Camps, oft unter Moskitonetzen, dafür bist du der Natur sehr nah.

Sierra Leone ist kein klassisches Einstiegsziel, eher ein Land für neugierige Reisende, die Regenwald, Küste und Alltagsleben abseits ausgetretener Pfade erleben wollen. Du solltest bereit sein, dich auf lokale Gegebenheiten einzustellen, Geduld für längere Fahrten und gelegentlich schwierige Straßen mitbringen und beim Thema Gesundheit gut vorbereitet sein. Dafür wirst du mit intensiven Begegnungen, großartigen Landschaften, spannenden Gesprächen und echten Entdeckermomenten belohnt. Viele, die hier waren, erinnern sich weniger an perfekte Infrastruktur, sondern an das Lachen der Menschen, das Licht am Strand bei Sonnenuntergang und das Gefühl, ein Land kennengelernt zu haben, das noch längst nicht auf jeder Reiseroute steht.

Karte von Westafrika mit hervorgehobenem Staat Sierra Leone und eingeblendeter Landesflagge.
Sierra Leone auf der Karte Westafrikas entdecken – Bildnachweis: gt29 – iStock-ID: 2238354052

Freetown: Hauptstadt am Atlantik mit goldenen Stadtstränden

Freetown ist die pulsierende Hauptstadt von Sierra Leone und mit rund einerinhalb Millionen Menschen zugleich das wirtschaftliche, kulturelle und politische Zentrum des Landes. Die Stadt zieht sich über eine hügelige Halbinsel direkt am Atlantik entlang, was ihr eine spektakuläre Lage zwischen Meer und grünen Höhenzügen verschafft. In vielen Vierteln blickst du von den Hängen hinunter auf die Bucht, Boote und Strände, während im Hintergrund dichter Wald beginnt. Das Klima ist tropisch mit heißer, feuchter Regenzeit und etwas angenehmeren Monaten, wenn der Harmattan Wind aus Richtung Sahara die Luft trockener macht und der Dunst über der Stadt etwas nachlässt. Dann sind die Temperaturen immer noch hoch, aber viele empfinden die Hitze als besser erträglich als im dichten Monsun.

Du kommst in der Regel über den internationalen Flughafen bei Lungi an, der auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht liegt. Von dort geht es per Schnellboot, Fähre oder Straße weiter in Richtung Stadt, jede Variante hat ihren eigenen Charakter. Die Bootsverbindung ist meist die schnellste Option und bringt dich mit Blick auf das Wasser direkt auf die Freetown-Seite, kann bei Wind und Wellen aber recht ruppig werden. Wer lieber festen Boden unter den Füßen behält, fährt über die Straße, muss dafür aber mehr Zeit für Verkehr und Schlaglöcher einplanen. In jedem Fall lohnt es sich, die Ankunft ein wenig zu organisieren, etwa einen Transfer vorab zu buchen oder sich von der Unterkunft abholen zu lassen.

In Freetown selbst bewegst du dich am besten mit Taxis, privaten Fahrdiensten oder den kleinen Minibussen, die überall halten. Wer es gern lebhaft und sehr lokal mag, steigt in die farbenfrohen Poda Podas oder in die dreirädrigen Kekes ein, muss dann aber etwas mehr Zeit und Nerven einplanen, denn Fahrpläne sind eher ein Gefühl als ein klarer Plan. Oft wird unterwegs noch gewartet, bis das Fahrzeug voll ist, und die Route kann spontan angepasst werden. Für erste Tage oder späte Abendstunden fühlen sich viele mit verhandelten Taxis oder Fahrdiensten wohler, vor allem wenn man die Stadt noch nicht gut kennt. Die eigentliche Altstadt ist kompakt, sodass du manche Wege auch gut zu Fuß gehen kannst, wenn es nicht zu heiß ist.

Luftbild mit grünen Mangroven, Flussarmen und langer Sandküste in Sierra Leone.
Mangrovenlandschaft an der Küste Sierra Leones – Bildnachweis: Muhammad Shah Jaman – iStock-ID: 1330254837

Beim Erkunden gehören das Gebiet rund um den historischen Cotton Tree, die Kolonialbauten in der Innenstadt und das Nationalmuseum zu den ersten Anlaufstellen. Hier erfährst du mehr über die Geschichte der Krio Gemeinschaft und die Wurzeln Freetowns als Siedlung freier Sklavinnen und Sklaven. In den Straßen rundherum reihen sich kleine Läden, Straßenstände und Märkte, auf denen Stoffe, Lebensmittel und Alltagswaren verkauft werden. Es ist laut, bunt und manchmal chaotisch, doch genau daraus zieht die Stadt ihre Energie. Wer mag, lässt sich von einem lokalen Guide begleiten, um Hinterhöfe, Geschichten und weniger bekannte Ecken kennenzulernen.

Am Nachmittag zieht es viele Einheimische und Besucher an die langen Stadtstrände von Lumley und Aberdeen. Dort säumen Bars und Restaurants die Uferstraße, Kinder spielen im Wasser, Fußballspiele entstehen spontan im Sand und Musik mischt sich mit Brandungsrauschen. Wenn die Sonne im Meer versinkt, färbt sich der Himmel orange und rosa und die Stimmung wird langsam noch entspannter. Wer mehr Ruhe sucht, fährt ein Stück weiter die Halbinsel hinunter zu Stränden wie River Number Two Beach oder Bureh Beach. Dort wird es deutlich ruhiger, Surfer und Backpacker teilen sich einfache Strandlodges mit Wochenendgästen aus der Stadt und am Abend sitzt du oft mit den Füßen im Sand am Lagerfeuer.

An Aktivitäten mangelt es rund um Freetown nicht. Du kannst einfache Stadtspaziergänge durch verschiedene Viertel machen, die kleine National Railway Collection besuchen oder Tagesausflüge zur ehemaligen Sklaveninsel Bunce Island planen, wo du einen Eindruck von der Geschichte des transatlantischen Sklavenhandels bekommst. Ein weiterer wichtiger Ort ist das nahegelegene Tacugama Chimpanzee Sanctuary. Dort leben gerettete Schimpansen in weitläufigen Gehegen und du erfährst bei geführten Touren mehr über Schutzprojekte, Wilderei und Wiederaufforstung. Viele Besucher empfinden diesen Besuch als emotional, aber sehr lohnend.

Kulinarisch probierst du in Freetown typische Gerichte wie Jollof Reis, Cassava Leaf Stew oder Groundnut Stew, oft serviert mit Fisch, Fleisch oder Gemüse. An den Stränden gibt es gegrillten Fisch, Meeresfrüchte und einfache Snackstände, dazu lokale Softdrinks, Ingwerbier oder ein kühles Bier. In vielen Lokalen wird am Abend Live Musik gespielt und die Atmosphäre ist locker, solange du deine Wertsachen nicht offen zeigst und eine gewisse Vorsicht beibehältst. Für die Reisekasse ist Freetown im westafrikanischen Vergleich moderat. Straßenessen und lokale Bars sind sehr günstig, importierte Produkte und gehobene Hotels können das Budget jedoch schnell nach oben treiben. Bezahlt wird in der Landeswährung Leone, Bankautomaten findest du vor allem in der Hauptstadt, Karten werden eher in internationalen Hotels, besseren Restaurants und einigen Geschäften akzeptiert.

Barrierefreiheit ist noch ausbaufähig. Neuere Hotels und einige öffentliche Gebäude verfügen über Rampen und Aufzüge, doch auf den Straßen sind Bordsteinkanten, Schlaglöcher, unebene Wege und fehlende Markierungen ein echtes Thema. Wer auf einen Rollstuhl angewiesen ist oder nur eingeschränkt mobil ist, sollte Transfers gut planen, nach geeigneten Unterkünften suchen und möglichst mit lokaler Unterstützung organisieren. Bei der Sicherheit gilt, dass du dich in belebten Vierteln und an den Stränden tagsüber meist wohlfühlst, während du abends besser auf registrierte Taxis setzt, größere Bargeldsummen vermeidest und auffälligen Schmuck lieber zu Hause lässt. Es lohnt sich, sich vor der Reise über die aktuelle Lage zu informieren, da sich politische Spannungen und Kriminalität entwickeln können, doch mit Aufmerksamkeit, Respekt und lokaler Beratung lässt sich Freetown intensiv und sicher erleben.

Luftaufnahme einer geschwungenen Flussmündung mit hellen Sandbänken am Ozean in Sierra Leone.
Flussmündung und Sandbänke in Sierra Leone – Bildnachweis: EyeEm Mobile GmbH – iStock-ID: 2172086807

Banana Islands: Tropenidylle vor der Küste von Freetown

Die Banana Islands liegen nur wenige Kilometer vor der Spitze der Freetown-Halbinsel im Atlantik, trotzdem fühlst du dich nach der kurzen Überfahrt in einer anderen Welt. Schon wenn das Festland kleiner wird, merkst du, wie der Lärm der Stadt verschwindet und durch Wellenrauschen, Motorengeräusch und Vogelrufe ersetzt wird. Auf den Inseln gibt es keine Autos, nur schmale Fußwege, die sich durch Palmenwälder, kleine Dörfer und zu versteckten Buchten schlängeln. Hühner laufen über die Wege, Kinder spielen am Strand und dazwischen stehen bunte Häuser, simple Hütten und ein paar Lodges, die sich unauffällig in die Umgebung einfügen.

Das kleine Archipel besteht aus den Inseln Dublin, Ricketts und dem unbewohnten Mes Meheux, wobei Dublin mit seinen Stränden, Gästehäusern und Tauchschulen der klassische Ausgangspunkt ist. Ricketts wirkt noch ruhiger und dörflicher, hier spürst du das Inselleben besonders deutlich, und Mes Meheux bleibt den meisten Reisenden als stiller, grün bewachsener Hintergrund vorbehalten. Du erreichst die Inseln meist über das Küstendorf Kent, manchmal auch über andere Punkte an der Halbinsel. Von dort fahren je nach Wellenlage einfache Holzboote und Speedboote hinüber, was schon ein kleines Abenteuer ist und dich entlang einer herrlich grünen Küste führt. Beim Ein- und Aussteigen hilft man sich gegenseitig, Gepäck wird durchgereicht und oft bist du mit Einheimischen, Einkäufen, Baumaterial oder frischem Fisch unterwegs.

Sitzender Schimpanse schaut in die Kamera auf dem Waldboden in Sierra Leone.
Schimpanse im Wald von Sierra Leone – Bildnachweis: Belen B Massieu – iStock-ID: 1250292240

Auf den Inseln übernachtest du in einfachen Lodges, Gästehäusern oder Glamping-Zelten direkt am Wasser. Strom kommt häufig aus Generatoren oder Solaranlagen, fließendes Wasser ist nicht immer durchgehend vorhanden und das Handynetz ist schwankend. Gerade das macht den Reiz aus, denn du hast endlich Zeit für lange Strandspaziergänge, Kajaktouren, Schnorchelgänge oder einfach Hängematte und Buch. Viele Unterkünfte sind klein, von Familien geführt und sehr persönlich, oft sitzt du abends mit den Besitzern oder anderen Gästen zusammen und tauschst Geschichten aus.

Auf einer geführten historischen Tour läufst du vorbei an Überresten alter Festungen, Gräbern und Kanonen aus der Zeit des transatlantischen Sklavenhandels, der hier tiefe Spuren hinterlassen hat. Lokale Guides erzählen dir, welche Rolle die Inseln früher spielten, welche Familien hier leben und wie sich das Leben im Lauf der Zeit verändert hat. Die Kombination aus tropischer Idylle und schwerer Geschichte macht den Besuch besonders eindrücklich. An Tagen mit klarem Wasser lohnt sich Schnorcheln und Tauchen wegen der Felsformationen, kleinen Riffe und der Unterwasserwelt, die zwar nicht karibisch bunt, aber trotzdem spannend ist. Du kannst außerdem Bootsausflüge zu einsameren Buchten unternehmen, kleine Picknicks am Strand machen oder einfach den Sonnenuntergang verfolgen, während Fischerboote als Silhouetten am Horizont zurückkehren.

Beim Essen dominieren Fisch und Meeresfrüchte, oft frisch gefangen und mit Reis, Kochbananen oder Gemüse serviert. Vieles kommt direkt aus dem Dorf: Kokosnüsse, Mangos, Wurzelgemüse, frischer Fisch vom Morgenfang. Die Inselküche ist einfach, aber sehr ehrlich, und du weißt meistens genau, was auf deinem Teller liegt und wo es herkommt. Wenn du bestimmte Essgewohnheiten oder Allergien hast, lohnt es sich, frühzeitig Bescheid zu sagen, damit man sich darauf einstellen kann.

Dicht bebaute Hänge und einfache Küstenhäuser in Freetown am Meer in Sierra Leone.
Küstenblick auf Freetown in Sierra Leone – Bildnachweis: viti – iStock-ID: 463655687

Die beste Reisezeit liegt in der Trockenzeit, wenn das Meer ruhiger ist, die Sicht oft besser und die Überfahrten angenehmer sind. In der Regenzeit können starke Schauer, Wind und Wellen die Anreise erschweren, die Wege werden matschig und manche Aktivitäten sind nur eingeschränkt möglich. Dafür ist die Vegetation dann besonders üppig und die Inseln wirken noch grüner. Da es keine Geldautomaten gibt, bringst du genügend Bargeld in der Landeswährung oder in US-Dollar mit, Kartenzahlung ist selten möglich und viele Unterkünfte rechnen am Ende deines Aufenthalts in bar ab.

Barrierefreiheit ist auf Banana Islands nur begrenzt gegeben. Viele Wege sind unbefestigt, haben Stufen, Wurzeln und unebene Stellen, und auch das Ein- und Aussteigen in Boote ist mit körperlichen Einschränkungen nicht immer einfach. Reisende mit Mobilitätseinschränkungen sollten das berücksichtigen, möglichst mit Begleitung anreisen und die Unterkunft im Vorfeld genau fragen, was machbar ist. Insgesamt gilt das Inselleben als sehr friedlich, du bist meist in kleinen Unterkünften untergebracht, in denen du schnell mit anderen Reisenden und Einheimischen an einem Tisch sitzt. Trotzdem solltest du Wertsachen im Zimmer, in einfachen Safes oder in einer Tasche nah am Körper aufbewahren, denn auch an ruhigen Orten können ab und zu Kleinigkeiten verschwinden – meist ist es aber der Alltag, der deine Aufmerksamkeit fesselt und dafür sorgt, dass du die Insel nur ungern wieder verlässt.

Tiwai Island: Regenwaldinsel im Moa River mit seltenen Primaten

Tiwai Island liegt im Südosten Sierra Leones im breiten Lauf des Moa River und ist ein geschütztes Wildlife Sanctuary, das besonders Naturfreunde und alle anzieht, die den westafrikanischen Regenwald aus nächster Nähe erleben möchten. Schon bei der Ankunft merkst du, wie sich der Rhythmus verlangsamt. Das Rauschen der Blätter, das Zwitschern der Vögel und das leise Plätschern des Flusses bilden eine Kulisse, die mit jeder Stunde intensiver wirkt. Die Insel erreichst du meist über die Städte Bo oder Kenema, von dort geht es in mehreren Stunden über teils holprige Straßen weiter bis zu einem kleinen Anlegesteg, wo dich ein Boot auf die Insel bringt. Gerade die letzten Kilometer sind oft die schönsten, weil du bereits die dichten Wälder siehst, die Luft feuchter wird und du erste Vogelrufe und Affenschreie hörst.

Zwergflusspferd läuft durch dichtes Gras und Sträucher in Sierra Leone.
Zwergflusspferd im grünen Sierra Leone – Bildnachweis: MikhailSemenov – iStock-ID: 1173748944

Untergebracht bist du im einfachen, gemeinschaftlich betriebenen Eco Camp mit Mehrbettzimmern oder einfachen Privathütten, meist mit Moskitonetzen und grundlegender Ausstattung. Strom gibt es oft nur stundenweise am Abend, wenn der Generator läuft oder Solarpanels genug Energie gesammelt haben. Handyempfang ist schwach oder gar nicht vorhanden, was anfangs ungewohnt sein kann, aber schnell dazu beiträgt, dass du dich wirklich auf die Natur einlässt. Nachts ist die Geräuschkulisse aus Zikaden, Fröschen, Nachtvögeln und gelegentlichen Rufen der Tiere intensiver als jede Playlist, und viele Gäste sitzen noch lange auf der Veranda, bevor sie ins Bett gehen.

Tiwai gilt als einer der Orte mit der höchsten Dichte an Primaten in Westafrika. Bei geführten Walks mit lokalen Guides kannst du mehrere Affenarten beobachten, etwa Diana Meerkatzen, Colobusaffen und weitere Arten, die sich in den Baumkronen bewegen. Die Guides kennen die Wege, die Lieblingsplätze der Tiere und die besten Zeiten, um sie zu sehen. Neben den Affen leben über hundertdreißig Vogelarten, darunter Hornvögel und Eisvögel, sowie unzählige Pflanzenarten in diesem geschützten Gebiet. Mit sehr viel Geduld und Glück entdeckst du vielleicht auch Spuren des extrem scheuen Pygmäenflusspferds, das nachts im Fluss unterwegs ist und meist nur durch Geräusche, Abdrücke oder leicht schlammige Spuren am Ufer verrät, dass es da war. Für solche Beobachtungen ist in der Regel ein mehrtägiger Aufenthalt sinnvoll, damit Wetter, Wasserstand und Zufall auf deiner Seite sind.

Bootstouren bei Sonnenuntergang gehören zu den eindrucksvollsten Erlebnissen auf Tiwai Island. Wenn der Fluss ruhig daliegt und sich der Himmel im Wasser spiegelt, gleitet das Boot langsam am Ufer entlang. Immer wieder siehst du Vögel auffliegen, gelegentlich Flussschildkröten, manchmal auch Affen, die in den Baumkronen am Ufer springen. Spaziergänge und Walks finden meist in den frühen Morgenstunden oder am späten Nachmittag statt, um der größten Hitze zu entgehen, denn das Klima ist auch hier tropisch feucht und kann zur Mittagszeit sehr anstrengend sein. In der Regenzeit schwillt der Fluss stark an, Pfade werden matschig oder unpassierbar, was zwar eine besonders üppige Vegetation bringt, die Bewegungsfreiheit aber einschränkt. Die angenehmste Reisezeit liegt daher meist in der Trockenperiode, wenn Wege besser begehbar sind und Touren verlässlicher stattfinden können.

Großer Waran liegt auf einem Baumstamm über dem Wasser im Dschungel von Sierra Leone.
Waran in den Wäldern von Sierra Leone – Bildnachweis: William Hoversen – iStock-ID: 2249732080

Gezahlt wird bar im Camp, in der Regel in Landeswährung, manchmal auch in US-Dollar nach Absprache. Ein Teil der Einnahmen fließt direkt in Projekte der umliegenden Gemeinden, etwa in Bildung, Gesundheitsversorgung oder lokale Infrastruktur, sodass Tiwai Island als gutes Beispiel für gemeinschaftlich getragenen Ökotourismus gilt. Die Infrastruktur bleibt bewusst einfach, um den Eingriff in die Natur gering zu halten. Für Menschen mit eingeschränkter Mobilität sind die unbefestigten Wege, Stege und Boote eine Herausforderung. Es gibt keine asphaltierten Pfade, Stufen sind unregelmäßig und Geländer nicht überall vorhanden. Dafür fühlt sich die Insel sehr ruhig und sicher an, da du dich die meiste Zeit in einer kleinen Gruppe mit Guides bewegst und der Fokus klar auf Naturerlebnis, Respekt vor dem Lebensraum und gegenseitiger Rücksichtnahme liegt.

Sierra Leone als Reiseziel im Überblick

Sierra Leone ist noch weit entfernt vom klassischen Massentourismus und richtet sich vor allem an Reisende, die bereit sind, sich auf afrikanischen Alltag, einfache Infrastruktur und manchmal spontane Änderungen einzulassen. Straßen können holprig sein, Fahrpläne verschieben sich, Wasser oder Strom fallen gelegentlich aus, und nicht jeder Ort hat durchgehend Netzempfang. Wenn du dich davon nicht abschrecken lässt, sondern es als Teil der Reise siehst, wirst du mit einem intensiven, sehr direkten Reiseerlebnis belohnt. Du bekommst Einblicke in das echte Alltagsleben, kommst leicht mit Menschen ins Gespräch und bist häufig einer von nur wenigen internationalen Gästen, was Begegnungen sehr persönlich macht.

Preislich ist das Land gemischt. Einfache Unterkünfte, lokales Essen und öffentliche Verkehrsmittel sind relativ günstig und ermöglichen dir, mit überschaubarem Budget lange unterwegs zu sein. Straßenessen, kleine Bars, einfache Gästehäuser und lokale Busse oder Poda Podas kosten wenig, dafür verlangen private Transfers, Inlandsflüge, geführte Touren und hochwertige Lodges schnell deutlich mehr. Wenn du mehrere Ausflüge mit Fahrer, Bootstransfers oder längere Aufenthalte in komfortableren Strandlodges planst, macht sich das im Gesamtbudget sofort bemerkbar. Es lohnt sich daher, im Voraus grob zu kalkulieren, welche Strecken du lokal organisieren möchtest und wo du dir bewusst mehr Komfort gönnen willst.

Mehrere bunte Holzboote mit Netzen liegen an einem felsigen Strand in Sierra Leone.
Fischerboote an der Küste von Sierra Leone – Bildnachweis: Julian Parsons – iStock-ID: 945097098

Gezahlt wird überwiegend bar, vor allem außerhalb von Freetown. Es ist sinnvoll, am Anfang der Reise ausreichend Geld an Geldautomaten in der Hauptstadt abzuheben und einen Teil in kleinen Scheinen dabei zu haben. Viele Reisende bringen zusätzlich US-Dollar mit, die sich vor Ort in Wechselstuben oder über offizielle Stellen tauschen lassen. Kreditkarten funktionieren eher in internationalen Hotels, einigen besseren Restaurants und Reisebüros, sind aber kein verlässliches Mittel für den Alltag. In kleineren Orten, auf Märkten und bei Fahrern wird Bargeld erwartet, und oft rechnet man direkt am Ende einer Tour oder eines Aufenthalts mündlich ab.

Das Klima mit Regen- und Trockenzeit prägt deine Reiseplanung stark. In der Trockenzeit sind Straßen meist besser passierbar, Flüsse führen weniger Hochwasser und die Strände locken mit viel Sonne und schönem Badewetter. In der Regenzeit können heftige Schauer, aufgeweichte Pisten und Überschwemmungen dazu führen, dass Fahrten länger dauern oder kurzfristig umgeplant werden müssen. Dafür ist die Natur dann besonders üppig, Reisfelder und Wälder wirken intensiv grün, und Flüsse sind voller Leben. Wenn du vor allem Strand und Rundreisen im Landesinneren planst, sind die trockeneren Monate meist die angenehmste Wahl, während sich die Regenzeit eher für sehr flexible Reisende anbietet.

In Sachen Gesundheit solltest du neben den üblichen Standardimpfungen unbedingt die aktuellen Empfehlungen einer Tropen- oder Reisepraxis einholen. Sierra Leone gilt als Gelbfiebergebiet, und bei Einreise wird häufig ein Nachweis über die Impfung verlangt. Außerdem besteht ein erhöhtes Malariarisiko, weshalb eine medikamentöse Prophylaxe oder zumindest eine Stand-by-Medikation sowie konsequenter Mückenschutz (lange Kleidung, Repellent, Moskitonetz) wichtig sind. Sauberes Trinkwasser, Handdesinfektion und ein kleines Reiseapotheken-Set helfen dabei, typische Magen-Darm-Probleme zu reduzieren. Sinnvoll ist es auch, eine gute Auslandsreisekrankenversicherung mit Rücktransport abzuschließen und wichtige Nummern griffbereit zu haben.

Bei der Sicherheit ist es ratsam, die aktuelle Lage kurz vor Abflug über offizielle Reisehinweise zu prüfen. In größeren Städten und an belebten Orten gibt es immer wieder Berichte über Taschendiebstähle und gelegentliche Überfälle, vor allem nach Einbruch der Dunkelheit. Nachts sind registrierte Taxis oder vorab organisierte Transfers die bessere Wahl als zu Fuß zu gehen, und größere Bargeldsummen, auffälliger Schmuck oder teure Technik solltest du möglichst unauffällig tragen oder im Zimmer sicher verstauen. Im Alltag helfen ein respektvoller Umgang, lokale Tipps und ein wacher Blick, um Situationen gut einschätzen zu können.

Barrierefreiheit ist insgesamt noch sehr begrenzt. Viele Straßen sind uneben, Gehwege fehlen oder werden als Parkflächen genutzt, und öffentliche Verkehrsmittel sind nicht auf Rollstühle oder Kinderwagen ausgelegt. Neuere Hotels, Lodges und einzelne öffentliche Gebäude haben zwar manchmal Rampen oder breitere Eingänge, doch auf dem Weg dorthin bleiben Schlaglöcher, Stufen und improvisierte Stege eine Herausforderung. Mit guter Vorbereitung, klarer Absprache mit Unterkünften und Unterstützung lokaler Guides kann eine Reise in ausgewählte Orte trotzdem möglich sein, wenn du dich auf ein langsameres Tempo und einige Kompromisse einstellst.

Wenn du dich darauf einlässt, bekommst du mit Freetown, den Banana Islands und Tiwai Island einen sehr runden Eindruck vom Land zwischen Meer und Regenwald. Du erlebst urbanen Trubel, Strände, auf denen das Leben noch langsam ist, und Momente völliger Ruhe am Fluss, während du gleichzeitig Menschen kennenlernst, die stolz auf ihr Land sind und sich freuen, wenn Reisende neugierig fragen, statt nur schnell ein Foto zu machen. Genau diese Mischung macht eine Reise nach Sierra Leone so intensiv und lange nachwirkend.

  • Reise- und Sicherheitshinweise zur Reise nach Sierra Leone findest du beim Auswärtigen Amt.

Warst du schon einmal in Sierra Leone unterwegs oder hast du vielleicht Freetown, die Banana Islands oder Tiwai Island besucht und besondere Erlebnisse gehabt, die du teilen möchtest? Wir freuen uns jederzeit über ein paar Kommentare zu deinen Erfahrungen, Tipps und Lieblingsmomenten im Land.